Zwischen Kampfsport und echter Selbstverteidigung klafft oft eine Lücke, die gerne übersehen wird. Es ist wie der Unterschied zwischen einem sonnigen Tag am Strand und einem stürmischen Abenteuer auf hoher See. Während der Strand für Entspannung und Vergnügen steht, bedeutet das Abenteuer im Sturm Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit. Genauso verhält es sich mit traditionellen Kampfkünsten und realen Selbstverteidigungsszenarien.
Traditionelle Kampfkünste, sei es Karate, Taekwondo oder Judo, faszinieren durch ihre präzisen Bewegungsabläufe und ihr kulturelles Erbe. Sie geben Struktur und Disziplin, stärken Körper und Geist und vermitteln das Gefühl, Teil einer langen und stolzen Geschichte zu sein. Doch so beeindruckend diese Künste auch sein mögen, in der Praxis sind sie oft nicht eins zu eins auf die unvorhersehbaren Situationen übertragbar, die uns im wirklichen Leben begegnen können.
Ein typischer Trainingsraum ist eine kontrollierte Umgebung. Der Boden ist weich, der Raum ist offen und frei von Hindernissen, und die Gegner folgen einem vorgegebenen Muster. In einer solchen Umgebung ist es leicht, sich sicher zu fühlen und das Gefühl zu haben, sich gegen jeden Angriff verteidigen zu können. Doch die Realität sieht anders aus. Angriffe in der realen Welt kommen unvorhergesehen und ohne Rücksicht auf die Regeln des Sports. Sie erfolgen in engen Gassen, auf rutschigen Böden, in dunklen Ecken und oft aus dem Nichts.
Eines der Hauptprobleme besteht darin, dass viele traditionelle Techniken auf einen sportlichen Wettkampf ausgerichtet sind, bei dem es klare Regeln und Grenzen gibt. Ein Angreifer auf der Straße wird sich nicht an diese Regeln halten. Er wird keine Rücksicht darauf nehmen, ob du bereit bist oder nicht. Er wird keinen fairen Kampf suchen, sondern das Überraschungsmoment nutzen, um dich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Deshalb ist es wichtig, über den Tellerrand zu schauen und sich auf Szenarien vorzubereiten, die man im Kampfsporttraining selten oder gar nicht erlebt.
Die Überbrückung dieser Lücke beginnt mit der Erkenntnis, dass Kampfsport und Selbstverteidigung zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Während es beim Kampfsport um Technik, Kraft, Schnelligkeit und Disziplin geht, geht es bei der Selbstverteidigung ums Überleben. Daher ist es wichtig, Verhaltensweisen zu erlernen, die unter realen Bedingungen anwendbar sind, und die Fähigkeit zu entwickeln, auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren.
Situationsbewusstsein ist der Schlüssel dazu. Es bedeutet, die Umgebung im Auge zu behalten, mögliche Gefahren zu erkennen und vorauszudenken. Ein guter Selbstverteidigungstrainer vermittelt nicht nur Techniken, sondern auch, wie man die Körpersprache eines potenziellen Angreifers liest, wie man Konflikte vermeidet und wie man im Notfall schnell und effektiv handelt. Es geht darum, die eigenen Sinne zu schärfen und instinktiv die richtige Entscheidung zu treffen.
Darüber hinaus ist ein Training unter realen Bedingungen unerlässlich. Das bedeutet, dass man sich in Situationen begibt, die den tatsächlichen Bedingungen auf der Straße ähneln. Das Training in unterschiedlichen Umgebungen, sei es auf unebenem Gelände, in engen Räumen oder bei schlechten Lichtverhältnissen, hilft, sich auf unvorhergesehene Situationen einzustellen. Auch das Training mit Überraschungsangriffen oder unkonventionellen Waffen wie Stöcken oder Flaschen kann dazu beitragen, auf alles vorbereitet zu sein.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Training der mentalen Stärke. Im Kampf entscheidet oft der Kopf über Sieg oder Niederlage. Selbstverteidigung ist mehr als das Beherrschen von Techniken. Sie erfordert Entschlossenheit, Mut und die Fähigkeit, in einer Stresssituation einen kühlen Kopf zu bewahren und gute Entscheidungen zu treffen. Mentales Training kann helfen, die eigenen Ängste zu überwinden und das Selbstvertrauen zu stärken, um in einer Gefahrensituation richtig zu reagieren.
Essenziell ist die Integration von Kommunikation in das Training. Das bedeutet, Konfliktgespräche zu führen, ohne dabei zur Eskalation beizutragen. Es geht darum, das Problem zu erkennen und das zugrunde liegende Bedürfnis des Gegenübers wahrzunehmen.
Auch das Erlernen von Flucht und das Bitten um Hilfe von Außenstehenden kann helfen, gefährliche Situationen zu vermeiden oder zu entschärfen.
Um die Lücke zwischen Kampfsport und echter Selbstverteidigung zu schließen, bedarf es einer Kombination aus Wissen, Erfahrung und Training. Es geht darum, Handlungssicherheit zu erwerben und Fähigkeiten zu verbessern. Nur so kann man sich auf die Unwägbarkeiten des Lebens vorbereiten und im Ernstfall die richtigen Entscheidungen treffen.
Kämpfen ist im Rahmen eines sportlichen Wettkampfes durchaus sinnvoll. Allerdings ist es für die persönliche Sicherheit selten die klügste Entscheidung.